gefühllos erfolgreicher




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gefühllos erfolgreicher

Beitragvon zastersauger » 26.09.2005, 09:52

ich möcht euch hier mal auf einen artikel auf der heise page aufmerksam machen, hoffe es regt zur diskussion an.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/20/20984/1.html

Mit wenig Gefühl zockt es sich am erfolgreichsten
Florian Rötzer 24.09.2005

Nach einer Studie von US-Wissenschaftlern sind "funktionale Psychopathen" bei Investitionen oder an der Börse am risikofreudigsten und erfolgreichsten
Gespielt wird nicht nur mit den üblichen Spielen um Sieg oder Verlust. Gewinnspiele werden auch nicht nur in Kasinos oder Hinterzimmern betrieben, sondern ganz offiziell auch an den Börsen. Dort wird von den Zockern, die Milliarden und Billionen hin und her schieben, ein Gutteil der wirtschaftlichen Dynamik beeinflusst, die im Zeitalter der vernetzten Computer noch nervös und manchmal in Sekunden auf Situationen reagiert, aber mit dem alleinigen Interesse am Shareholder Value nur noch ein allgemeines oder abstraktes, in aller Regel auch kurzfristiges Profitstreben verfolgt. Zocken, d.h. das Spiel mit Glück und Risiko, aber ist nicht Jedermanns Sache. Nach Auskunft von Gehirnforschern spielen ausgerechnet diejenigen am besten und risikofreudigsten, die man als "funktionale Psychopathen" bezeichnen könnte.


Kasinokapitalismus nennen Kritiker mitunter den globalen Handel mit Aktien, Derivaten und Währungen, der sich von der Produktion und den materiellen Werten abgelöst hat. Schnelle Entscheidungen sind von den Spielern wie beim Kampf um Leben und Tod in Computerspielen erforderlich. Dabei geht es um Gewinn oder Verlust, um Profit oder Pleite der Spieler und/oder der Kunden, für die sie zocken. Dabei geht es aber auch um Arbeitsplätze, wirtschaftliche Standorte und Wirtschaftspolitik, um das Schicksal von Menschen, die von diesen Spielen abhängen, ohne sie wirklich beeinflussen zu können, auch wenn sie selbst beispielsweise zur Altersvorsorge in Aktienfonds investiert haben und sich so indirekt womöglich selbst um ihren Job berauben.

Nach einer Untersuchung von Versuchspersonen im Hinblick auf ihr Investitionsverhalten haben US-Wissenschaftler herausgefunden, dass die besten Spieler diejenigen sind, die sie als "funktionale Psychopathen" bezeichnen. Für die Studie "Investment Behavior and the Negative Side of Emotion", die im Juni in der Zeitschrift Psychological Science erschienen ist, wurden 41 Versuchspersonen ausgewählt, 15 von diesen hatten Schädigungen in mit Gefühlen verbundenen Gehirnarealen erlitten. Die übrigen Versuchspersonen waren entweder normal oder hatten als Teil der Kontrollgruppe andere Gehirnschäden in Arealen, die nichts mit Emotionen zu haben.

Die Versuchspersonen, die die Wissenschaftler als "funktionale Psychopathen" bezeichnen, konnten aufgrund der Läsionen in der Amygdala sowie im orbitofrontalen und somatosensorischen Kortex keine Emotionen mehr empfinden. Ihr IQ war aber ganz normal, auch die Gehirnareale, die für Logik und rationales Denken zuständig ist, waren unbeeinträchtigt. Andere Experimente hatten gezeigt, dass Emotionen, besonders wenn sie stark und negativ sind, Entscheidungen auch negativ beeinflussen. Allerdings schneiden Menschen, deren Emotionen gestört sind oder fehlen, manchmal auch schlechter in Entscheidungsprozessen ab. Die Wissenschaftler gingen von der Hypothese aus, dass fehlende Emotionen in bestimmten Situationen, in denen man gewissermaßen "kalt" kalkulieren muss, auch einen Vorteil bieten sollten. Schließlich gehen die meisten Menschen Risiken desto weniger ein, je stärker sie Angst empfinden.

So gibt es rational unbegründbare Risikovermeidungsstrategien bei den meisten Menschen. In aller Regel wird die Entscheidung zwischen einem Gewinn von 200 Euro und einem Verlust von 150 Euro bei einer Wahrscheinlichkeit von 50:50 abgelehnt. Viele Menschen ziehen daher auch noch immer Investitionen in festverzinsliche Wertpapiere gegenüber Aktien vor. Um die Hypothese zu überprüfen, dass die Menschen mit "neurologischen Schäden" risikobereiter sind, erhielten die Versuchspersonen jeweils 20 Dollar und mussten 20 Mal Entscheidungen treffen, ob sie einen Dollar investieren oder nicht. Darauf wurde eine Münze geworfen. Kam Kopf, so verloren diejenigen, die einen Dollar investiert hatten, diesen Dollar, kam Zahl, erhielten sie 2,5 Dollar. Bei jeder Runde ist die Gewinnaussicht für die Investoren mit 1,25 Dollar höher als bei denjenigen, die lieber ihren Dollar sichern wollen. Während die "normalen" Personen in 62 Prozent der Runden investierten und die Kontrollgruppe mit neurologischen Schäden in 60 Prozent der Runden, riskierten die emotionslosen Personen eine Investition in fast 84 Prozent der Runden und erzielten damit auch höhere Gewinne: durchschnittlich 25,7 Dollar gegenüber 23,4 Dollar bei den "Normalen".


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Aus der logischen Perspektive ist es richtig, in jeder Runde zu investieren. Mit einer fünfzigprozentigen Gewinnchance liegt der Erwartungswert für jede Runde, die gespielt wird, bei 1,25 Dollar, während der Erwartungswert, wenn man nicht investiert, nur bei einem Dollar liegt.
Baba Shiv, Mitautor der Studie, von der Stanford Graduate School of Business

Die Wissenschaftler untersuchten dabei auch die Entscheidungsprozesse (nicht investieren, investieren und gewinnen, investieren und verlieren), wobei sich zeigte, dass die "normalen" Personen und die Menschen aus der Kontrollgruppe nach einem Verlust sehr viel eher nicht investierten als die emotional Unempfindlichen, die meist trotzdem investierten (85% gegenüber 47 bzw. 37%). Aber auch, wenn die Investition erfolgreich war, investierten die emotional Unempfindlichen am meisten (84% gegenüber 61 bzw. 75%). Ihnen scheint also egal zu sein, wie das Ergebnis zuvor war, und sie handeln eher als rationale Personen, da in jeder Runde exakt die gleiche Wahrscheinlichkeit besteht, während die anderen Personen emotional berücksichtigen, welches Ergebnis in der Runde zuvor erzielt worden war.

Auch wenn nicht viele Runden gespielt wurden, so scheinen zudem die normalen Personen und die Mitglieder der Kontrollgruppe in Bezug auf den Erfolg mit wachsender Zahl der Runden eher schlechter zu werden. Praktisch alle Versuchspersonen starteten mit einer Investition, die "Normalen" und die Personen der Versuchsgruppe wurden dann aber Zug für Zug vorsichtiger. Emotionen, die evolutionsgeschichtlich Entscheidungsprozesse beschleunigen und helfen, Risiken zu vermeiden, könnten also unter den modernen Bedingungen, die einen kühlen Kopf verlangen, nicht mehr angepasst sein – zumindest könnten sie sich negativ auf den Erfolg auswirken. So ist dies auch beim so genannten "equity premium puzzle" der Fall, also dass viele Menschen lieber in festverzinsliche Wertpapiere als in Aktien investieren, obgleich Aktien, selbst wenn sie manchmal fallen, insgesamt und langfristig (bislang) größere Gewinnchancen besitzen.

Antoine Bechara, Professorin für Neurologie an der University of Iowa und Mitautorin, zieht aus den Ergebnissen den allgemeinen Schluss, dass erfolgreiche Investoren an den Börsen eben die "funktionalen Psychopathen" sein könnten, die entweder ihre Gefühle besser kontrollieren können oder Gefühle schwächer als andere empfinden. Auch viele Manager und Top-Anwälte könnten diese Eigenschaften besitzen, schließt sich Baba Shiv dieser Behauptung an. Ist man weniger emotional, so kann dies in bestimmten Situationen hilfreicher sein. Das könne beispielsweise eben dann zutreffen, wenn man mit Investitionen seine Altersvorsorge sichern will. Allerdings, so meint Shiv, wären Emotionen bei den meisten Entscheidungen im Leben noch immer hilfreich. Fragt sich nur, ob mit dem Kasinokapitalismus und seinen "Heuschrecken" auch eine Kultur der (pathologischen) Gefühllosigkeit sich ausbreitet, wenn sie die Grundlage für größere finanzielle Erfolge ist?

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von Anzeige » 26.09.2005, 09:52

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Re: gefühllos erfolgreicher

Beitragvon Butscher » 18.08.2010, 12:34

genau das meine ich. man darf eben keine emotionen zulassen. man sollte in einem sogenannten alphazustand verweilen, ein zustand, in dem man zwar noch alles aufnimmt, aber indem man die dinge nicht so ernst nimmt (beispiel: autofahren, man passt auf, das man autofährt, vorfahrt usw. einhält, man ist wachsam. aber man ist auch locker, es geht von alleine)
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Re: gefühllos erfolgreicher

Beitragvon stony » 19.08.2010, 06:24

Das ist nix Neues - die Erfahrung haben wir selber doch schon hundert Mal gemacht! Die Frage ist vielmehr, wie schalte ich meine falschen Emotionen aus? Da sollten die Leute mal forschen.
Grüße, Stony

Nieder mit der Sommerzeit!
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Re: gefühllos erfolgreicher

Beitragvon Hufser » 21.08.2013, 10:04

Was ist heise.de eigentlich für eine Seite? Irgendwie bringen die immer recht gute Artikel raus...
Ich fand ein großes Schlagloch und blieb in demselben.
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